Pressemitteilung: Bundestag fordert erneut Schutz des antarktischen Weddellmeeres

Berlin, 21. Oktober 2022Alle Parteien des deutschen Bundestags haben die Bundesregierung erneut aufgefordert, sich in den anstehenden Verhandlungen zum Schutz der Antarktis für das Weddellmeer einzusetzen. Besonders in Anbetracht der bedrohten Biodiversität aufgrund der Eisschmelze und der expandierenden Fischerei sei der Schutz des Weddellmeeres unerlässlich.

Ende Oktober werden 26 Länder für das jährliche Treffen der „Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis“ (CCAMLR) zusammenkommen. Anlässlich dieser Verhandlungen hat der deutsche Bundestag einstimmig einen Antrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und CDU/CSU zum Schutz des Weddellmeeres beschlossen. In diesem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, sich auf höchster Ebene bei bilateralen oder multilateralen Treffen für die Schutzgebiete in der Antarktis einzusetzen. Diese Priorisierung der Bundesregierung ist aufgrund bisher lückenhafter internationaler Regelungen für den Meeresschutz von hoher Bedeutung.

Im Rahmen der “Meeresoffensive” der Bundesregierung gewinnt der Schutz der Weltmeere an Bedeutung. Mit dem Beitritt zur High Ambition Coalition for Nature and People (Januar 2021) setzt sich Deutschland für strikte Schutzmaßnahmen für mindestens 30 Prozent der Weltmeere bis spätestens 2030 ein. Die Schutzgebietsfläche im Weddellmeer würde rund 2,2 Millionen Quadratkilometer betragen. Es wäre das größte Meeresschutzgebiet der Welt und würde einen Beitrag zur Erreichung des Ziels leisten, 30 Prozent des Ozeans bis 2030 zu schützen. Das Weddellmeer ist ein einzigartiges Ökosystem und beherbergt allein auf dem Meeresboden etwa 14.000 verschiedene Tierarten. Viele davon existieren nur dort und sind nur in den fragilen Lebensgemeinschaften des Südpolarmeers überlebensfähig. Der Bundestag setzt sich fortan nicht nur für einen strengen Schutz dieses Gebietes ein, sondern ruft auch die Bundesregierung auf, die von anderen CCAMLR Mitgliedsstaaten entwickelten Schutzgebietsvorschläge wie der Ostantarktis und der Antarktischen Halbinsel nach Kräften proaktiv zu unterstützen.

Dabei wächst die Dringlichkeit für die Realisierung dieser Schutzziele. Die steigenden Temperaturen in der Klimakrise führen zum rapiden Abschmelzen des Thwaites-Gletschers und der Schelfeisflächen. Auch der steigende Druck der internationalen Fischerei gefährdet den Fortbestand dieses wichtigen Ökosystems. “Die Rolle des Südpolarmeeres für unseren Planeten wird oft unterschätzt, dabei ist sie entscheidend: Das Südpolarmeer ist essentiell für die Regulierung des Klimas, die Nährstoffversorgung der Meere und als Lebensraum einer beeindruckenden Artenvielfalt. Wir können Funktionen des Südpolarmeeres durch zwei Dinge erhalten – die radikale Drosselung der Emissionen von Treibhausgasen und die Unterschutzstellung der marinen Biodiversität. Wir schätzen den Einsatz des Deutschen Bundestages für dieses Vorhaben und fordern von der Bundesregierung, endlich entschieden zu handeln”, so Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.

Anhaltende geopolitische Herausforderungen

Die internationalen Verhandlungen für den Schutz der Antarktis wurden in den letzten Jahren vor allem von China und Russland blockiert. Da die CCAMLR-Verhandlungen mit dem Prinzip der Einstimmigkeit funktionieren, war der Verlauf in den letzten Jahren ins Stocken geraten. Dabei steht die Ausweisung der drei Meeresschutzgebiete des Weddellmeeres, der Ostantarktis und der Antarktischen Halbinsel seit rund 10 Jahren aus. Zum dritten Mal fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass das Meeresschutzgebiet (Marine Protected Area, MPA) des Weddellmeeres ausgewiesen wird.

Augenmerk auf internationale Rahmenwerke

Die Priorität des Antrags liegt auf der Erstellung des Schutzgebiets Weddellmeer im Rahmen von CCAMLR. Dazu gehören die Einrichtung großflächiger Nullnutzungszonen und ein wissenschaftliches Biodiversitäts Monitoring unter Einbeziehung modernster und innovativer Technik, so die Bundestagsabgeordneten. “Wie der Schutz des Ozeans gestaltet wird, ist entscheidend für unsere Zukunft”, so Dr. Ralf Sonntag vom World Future Council, “denn nur wenn menschliche Aktivitäten – wie die Fischerei von Krill und Antarktischem Seehecht – in Schutzgebieten unterbunden werden, kann das Ökosystem Meer sich vollständig erholen und in diesem Fall eine Resilienz gegen den Klimawandel entwickeln.” Über den Schutz des Weddellmeeres im Rahmen von CCAMLR hinaus nennt die Resolution ebenfalls weiterhin das Ziel, die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt auf Hoher See (Biodiversity Beyond National Jurisdiction, BBNJ) zu unterstützen. Derzeit gibt es keinen kohärenten Rahmen für die Verwaltung und den Schutz der Hohen See, die 43 Prozent der Erdoberfläche bedeckt. Ein Fortschritt im Bereich BBNJ würde ebenfalls indirekt zum Schutz des Weddellmeeres beitragen. Dass Deutschland seine “Meeresoffensive” ambitioniert verfolgt, hat es erst kürzlich durch seinen Beitritt zu den Blue Leaders bewiesen. Die Initiative von aktuell 23 Ländern ruft für einen vollständigen Schutz von 30 Prozent der Meere bis 2030 auf. Dies bedeutet, dass dort keine extraktiven oder zerstörerischen Aktivitäten erlaubt sind.

Über die Stiftung Weltzukunftsrat

Beim Weltzukunftsrat setzen wir uns für einen gesunden Planeten mit gerechten und friedlichen Gesellschaften jetzt und in der Zukunft ein. Dafür identifizieren, entwickeln, beleuchten und verbreiten wir zukunftsgerechte Lösungen für aktuelle Herausforderungen der Menschheit und zeichnen sie alle zwei Jahre mit unserem einzigartigen Future Policy Award aus. Unser Rat besteht aus 50 herausragenden globalen Changemakern aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Er bestimmt die Agenda unserer Arbeit und entwickelt dazu Stellungnahmen. Die Ratsmitglieder treffen sich jährlich beim Weltzukunftsrat, um die dringendsten Herausforderungen und die vorhandenen Lösungen dafür zu diskutieren. Jakob von Uexkull, der Gründer des Alternativen Nobelpreises, rief 2007 den Weltzukunftsrat ins Leben.

Pressekontakt:

Meike Schützek

Senior Campaigner für die Antarctic and Southern Ocean Coalition (ASOC), Berlin
info@meikeschuetzek.com

Tel.: 0176-82797897

Zusatzinformationen1. Ein Netz von Meeresschutzgebieten im Südpolarmeer – Factsheet
2. Petition zum Schutz des Südpolarmeeres

Interviewpartner:innen

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe, DUH-Newsroom, presse@duh.de, 030 2400867-20

Ralf Sonntag, World Future Council, Hamburg, ralf.sonntag@worldfuturecouncil.org, 0172-4390583

Antje Boetius, Direktorin Alfred-Wegener-Institut – Medienkontakt Folke Mehrtens, medien@awi.de, 0471 4831-2007