Bangladesch gehört zu den fünf am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Das anhaltende Wirtschaftswachstum der letzten Jahre erhöht ebenfalls den Energiebedarf des Landes, wodurch die bestehende Energieinfrastruktur belastet wird. Die Energieversorgung zu erschwinglichen Preisen sicherzustellen wird damit unausweichlich zu einer großen Herausforderung.
Ein auf Erneuerbare Energien basiertes, dezentrales Energiesystem stellt eine große Chance für das südasiatische Land dar um sowohl den wachsenden Energiebedarf der Privatwirtschaft wie auch die Lebensgrundlagen für die Bevölkerung nachhaltig zu verbessern und den Zugang zu bezahlbarer, nachhaltiger Energie zu ermöglichen.
Über 5 Millionen Solar Home Systems (SHS) wurden bereits installiert und versorgen rund 11% der Bevölkerung mit Zugang zu Strom. Rund 1,14 Millionen Tonnen Kerosin, im Wert von mehr als 400 Million USD, konnten durch die solaren Kleinanlagen eingespart werden.
Um das wirtschaftliche und nachhaltige Potenzial erneuerbarer Energien voll auszuschöpfen, hat die Stiftung World Future Council, zusammen mit der bangladeschischen Partnerorganisation Coastal Development Partnership und der deutschen Entwicklungsorganisationen Brot für die Welt, das Projekt “100% erneuerbare Energien für Bangladesch – Zugang zu erneuerbarer Energie für alle” 2018 ins Leben gerufen.
OneEarth Climate Model to Bangladesh.
Ziel war es, zukünftige Energieszenarien für Bangladesch zu entwickeln, die auf einer umfassenden Kartierung der erneuerbaren Energiepotenziale im Land basieren. Um sicherzustellen, dass jeder Sektor an dem Vorhaben beteiligt war und die Stimmen jeder Gruppe Gehör fanden, wurde eine Multi-Akteurs-Partnerschaft aufgesetzt, welche die Partizipation garantierte. Im Zuge dieser MAP wurden notwendige Daten gesammelt und ausgewertet, und Annahmen des Szenarien mit Vertretern der Regierung, des Parlaments, zivilgesellschaftlicher Organisationen, Entwicklungspartnern aus Geberländern sowie Forschung diskutiert. Durch diesen inklusiven Beteiligungsansatz wurde ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl für das Ergebnis des Prozesses entwickelt und damit seine nachhaltige Wirkung des Projektes gestärkt. Hierdurch konnte die Schnittstelle zwischen Politik und Forschung gestärkt werden.
Der technische Studie wurde vom Institute für Nachhaltige Zukunft (Institute of Sustainable Futures, ISF) der technischen Universität Sydneys erstellt, indem das OneEarth Climate Model auf Bangladesch angewandt wurde.
Ergebnisse
In der Studie des ISF werden zwei mögliche Erneuerbare Energien-Szenarien mit einem Basisszenario verglichen. Dabei ist eines der beiden EE-Szenarien wesentlich ambitionierter und dekarbonisiert einen Großteil des bangladeschischen Industrie- sowie Transportsektors. Da die Bevölkerungsdichte in Bangladesch weit über dem europäischen Durchschnitts liegt, wurde darauf geachtet, dass EE nicht mit anderen Landnutzungen wie etwa Agrarwirtschaft, Naturschutz, oder Wohngebiete konkurriert, damit sowohl die Energieproduktion wie auch die Nahrungsproduktion in Bangladesch nachhaltig gewährleistet werden kann.
Neben der Erkenntnis, dass eine Wende zu 100% Erneuerbarer Energie einen ausreichenden Zugang für alle in Bangladesh lebende Menschen zu den geringstmöglichen Kosten gewährleisten kann, zeigt die Studie ebenfalls, das Bangladesch seine Emissionen drastisch senken und somit zur Säuberung der Luft insbesondere in Städten wie Dhaka, beitragen kann. Darüber hinaus können Erneuerbare die wirtschaftliche Entwicklung sowie den Elektrifizierungsprozess des Landes unterstützen, sofern eine umfassende Strategie unter Einbeziehung von Hitzeerzeugung, Mobilität und Elektrizität entwickelt wird.
Aktivitäten
Eine Workshopserie in der bangladeschischen Hauptstadt Dhaka brachte Stakeholder aus der Regierung, Zivilgesellschaft, Entwicklungsorganisationen, Finanzinstituten sowie Forschung zusammen, um die Umsetzbarkeit einer Energiewende in Bangladesch näher zu erörtern und herauszuarbeiten unter welchen Umständen ein auf EE basierendes Energiesystem möglich wäre. Da Bangladesch zu den dicht besiedelten Ländern der Welt gehört wurden insbesondere schwimmende Technologieoptionen (wie etwa schwimmende Solarinstallationen sowie schwimmende Windräder) hervorgehoben, welche zu Wasser gebaut werden können und den ohnehin knappen Platz nicht weiter einschränken.
Eine Studientour zu den Küstenregionen von Chittagong Anfang 2019 zeigte den Einfluss des Klimawandels auf die Erosionen der Küstengebiete und Flussufer, aufgrund dessen Einwohner dieser Regionen mit regelmäßigem Landverlust umgesiedelt werden müssen. Durch die Nutzung des Potenzials von tragbaren, dezentralisierten Energiesystemen und elektrischen Kochherden könnte sich an solche extremen Bedingungen besser angepasst werden. Die hierfür benötigten politischen Maßnahmen und Handlungsempfehlungen sind in der Studie des ISF zusammengefasst.
Um solch eine umfassende Transformation des Energiesystems eines ganzen Landes vollziehen zu können, benötigt es starker internationaler Zusammenarbeit und Entwicklungsgelder. Nur durch Kooperation kann das Potenzial von EE entfacht und zur nachhaltigen Entwicklung und zur Umsetzung des Pariser Abkommens beitragen.
Dazu fand im Juni 2019 ein Treffen im Deutschen Bundestag zwischen 25 deutschen Parlamentariern und Experten statt, bei dem erste Erfahrungen aus Bangladesch ausgetauscht und die ersten Ergebnisse der unseres Projektes vorgestellt. Die Möglichkeiten der internationalen Kooperation zur Umsetzung der Energiewende im Globalen Süden und die Verantwortung von Geberländern wie etwa Deutschland wurden mit den Teilnehmern diskutiert. Ein Katalog von Maßnahmen zur Umsetzung der bangladeschischen Energiewende konnte erarbeitet werden und wird künftig mit Abgeordneten aus Regierung und Parlament diskutiert werden.
Die Studie wurde im späten Oktober 2019in Dhaka veröffentlicht und von Planungsminister M.A. Mannan MP als wichtigen Fortschritt der Marrakesch-Verpflichtung (ein Zusammenschluss von 48 Staaten verpflichtete sich während COP 22 in Marrakesch zur Umsetzung von 100% EE) begrüßt. Bangladesch ist ein wichtiges Mitglied des Climate Vulnerable Forum. WFC Ratsmitglied Dipal Barua verdeutlichte die wichtige Rolle von 100%EE für die künftige wirtschaftliche Entwicklung Bangladeschs, durch decken des ansteigenden Energiebedarfs. Repräsentanten verschiedener Ministerien gaben weitere Einblicke in ihre Schlüsse, die sie aus der Studie gezogen haben.