Was ist Bildung für nachhaltige Entwicklung?

Jede große oder kleine Entscheidung, die wir in unserem Alltag fällen, hat eine große Bedeutung auf globaler Ebene. Das fängt mit unserer Ernährung an, wie wir reisen oder arbeiten oder was wir tragen. In einer Welt mit mehr als 7,5 Milliarden Menschen, begrenzten natürlichen Ressourcen, steigender sozialer Ungerechtigkeit, Klimawandel, Nahrungsmittelknappheit und dem Verlust von Biodiversität werden die Lebensgrundlagen jetziger und zukünftiger Generationen zunehmend knapper.

Seit Jahrzehnten wissen wir darum, wie wichtig es ist, unsere Vorstellung von Wachstum und Konsum zu ändern und der Natur wieder mit Respekt zu begegnen. Doch trotz einiger positiver Entwicklungen und einen internationalen Konsens über die Dringlichkeit gemeinsam zu handeln, waren die Maßnahmen nie tiefgreifend genug, um eine effektive, langfristige positive Veränderung zu erreichen. Was macht es für die Staaten so schwierig, die notwendigen Maßnahmen, wie beispielsweise gegen den Klimawandel zu stoppen? Was hindert die Menschen daran, die Mittel zu nutzen, die sie haben, um wirtschaftlicher, umweltfreundlicher und damit nachhaltiger zu handeln? Und was brauchen wir, um nachhaltiger zu denken und zu handeln?

Neben wichtigen politischen wegbereitenden Entscheidungen ist es auch wesentlich, dass alle Menschen, Jung und Alt, Teil der Lösung sind. Dafür benötigen sie „Instrumente“, um Kompetenzen und Fähigkeiten zu entwickeln, die helfen, positiv und innovativ zu reagieren sowie lösungsorientiert und nachhaltig zu handeln. Qualitativ hochwertige Bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) gehören zu diesen wichtigen Instrumenten.

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) möchte Menschen befähigen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Umwelt zu verstehen und gleichzeitig, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenhänge zu betrachten und zu hinterfragen.

Bildung für nachhaltige Entwicklung ist ein integraler Bestandteil von qualitativer Bildung, die Lernende befähigt, sich selbst und ihre Gesellschaften zu verändern, einen Übergang zu nachhaltigeren Volkswirtschaften und friedlicheren Gesellschaften zu ermöglichen und “globale Bürger:innen” zu sein. Sie kann dazzu beitragen, dass Schüler:innen und Erwachsene in der Lage sind, durch ihr nachhaltiges Handeln Veränderungen zu bewirken und Lösungen mit einen persönlichen Bezug beizutragen.

BNE fördert progressive Pädagogien, die interaktiv, transformativ, und partizipatorisch sind und Lernenden im Mittelpunkt stellt. Sie umfasst Lernumgebungen, die handlungsorientiert, mit den lokalen Gemeinden und Kulturen verbunden und praktisch sind, wie z.B. Lernen im Freien, welches den Kontakt mit der natürlichen Umwelt fördert. BNE befähigt und rüstet die Lernenden mit Fähigkeiten, Werten, Einstellungen und Kompetenzen aus, wie z.B. systemisches Denken oder kollaborative Entscheidungsfindung, die es ihnen ermöglichen, die Umwelt, die Wirtschaft, die Gesellschaft und die kulturelle Vielfalt zu verstehen und fundierte Entscheidungen zu treffen, nachhaltige Lebensstile anzunehmen und Verantwortung für heutige und zukünftige Generationen zu übernehmen.

Ein weiterer innovativer Aspekt von BNE ist, dass sie die Unterscheidung zwischen formaler, nicht-formaler und informeller Bildung zunehmend aufweicht und verschiedene Akteur:innen von der Zivilgesellschaft bis hin zur Kunst einbezieht. Dies bereichert das Lernen und positioniert Bildungseinrichtungen als einen integralen und transparenten Teil der Öffentlichkeit.

Es gibt viele verwandte Formen des Lernens, die der BNE ähnlich sind, aber oft einen anderen Fokus haben. Dazu gehören z.B. Umweltbildung, Menschenrechtsbildung, Friedens- und Demokratieerziehung, Klimabildung oder Verbraucherbildung. Alle diese Lernformen können mit der BNE, die diese Bereiche umfasst, verknüpft werden.

Bildung und die internationale Gemeinschaft

Seit mehr als fünf Jahrzehnten beschäftigt sich die Weltgemeinschaft mit den Auswirkungen von Umweltverschmutzung, Verlust von Biodiversität, der Erschöpfung der natürlichen Ressourcen und dem sich abzeichnenden Klimawandel.  Im Jahr 1987 veröffentlichte die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung ihren Bericht “Unsere gemeinsame Zukunft”, auch bekannt als Brundtland-Bericht, in dem nachhaltige Entwicklung als “Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen” definiert wurde. Im Jahr 1990 veröffentlichte der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) seinen ersten Sachstandsbericht. Der Bericht bestätigte den Klimawandel, hervorgerufen durch einen dramatischen Anstieg der Treibhausgasemissionen infolge anthropogener, von Menschen stammender Aktivitäten. Der Bericht bestätigte, dass der Klimawandel anthropogen ist, verursacht durch menschliche Aktivitäten, die zu einen dramatischen Anstieg der Treibhausgasemissionen führen. Auch betonte der Bericht, dass die entstehenden Herausforderungen und ihre globalen Folgen nicht von einer Nation allein bewältigt werden können.

1992 fand in Rio de Janeiro die erste Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED, allgemein als Erdgipfel bezeichnet) statt, um dringende Probleme des Umweltschutzes und der sozioökonomischen Entwicklung zu besprechen und anzugehen. Die Staats- und Regierungschef:innen unterzeichneten die Konvention über den Klimawandel und die Konvention über die biologische Vielfalt, bestätigten die Rio-Deklaration und die Waldprinzipien und verabschiedeten die Agenda 21. Kapitel 36 der Agenda 21 unterstreicht die entscheidende Rolle der Bildung bei der Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung. Seitdem ist Bildung für alle ein fester Bestandteil der Agenda für nachhaltige Entwicklung.

Nachhaltigkeitsagenda 2030 – Ziele für jetzige und zukünftige Generationen

Die internationale Zusammenarbeit ist eine Schlüsselkomponente, um die Herausforderungen zu meistern. Im September 2000 verpflichtete sich die internationale Welt zu den UN-Millenniumsentwicklungszielen (MDGs) und formulierten acht internationale Entwicklungsziele, die darauf abzielten, Armut und Ungleichheit zu bekämpfen und bis 2015 eine universelle Grundschulbildung zu ermöglichen. Die MDGs führten zu bemerkenswerten Anstrengungen, um einige der Vorgaben zu erreichen.

Um diese Ziele zu unterstützen, wurde 2005 die UN-Dekade “Bildung für nachhaltige Entwicklung” (DESD) ins Leben gerufen. Nachhaltige Entwicklung sollte als Leitbild in allen Bildungsbereichen verankert werden und damit zur Lösung globaler Probleme, wie Klimawandel, Armut oder Verlust von Biodiversität beitragen.

Den MDGs nachfolgend, verabschiedeten die Vereinten Nationen auf dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel im September 2015 die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mit ehrgeizigen 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) und 169 Zielvorgaben als Kernstück. Die ehrgeizige Agenda 2030 stellt einen Aktionsplan für Menschen, Planet, Wohlstand, Frieden und Partnerschaft dar, der dazu beitragen soll, eine globale nachhaltige Gesellschaft für das 21. Jahrhundert zu verwirklichen. Beseitigung der Armut – einschließlich der extremen Armut – wird dabei als eine unabdingbare Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung gesehen, wobei niemand zurückgelassen werden darf. Das ausgerufene Ziel ist eine lebenswerte Welt für die jetzigen und kommenden Generationen zu übergeben. Obwohl die Ziele in vieler Hinsicht miteinander verknüpft sind gibt es Zielkonflikte zwischen den einzelnen SDGs.

Nachhaltigkeitsziel 4 ist der qualitativen Bildung und ihrem Unterziel Bildung für nachhaltige Entwicklung gewidmet. Im Jahr 2017 bekräftigte die UN-Generalversammlung in ihrer Resolution 72/222 die Schlüsselrolle von BNE als “integrales Element des Nachhaltigkeitsziel zu qualitativ hochwertiger Bildung und als Schlüssel zur Ermöglichung aller anderen Nachhaltigkeitszielen”, darunter auch das Nachhaltigkeitsziel 13 zum Klimaschutz.

Das Weltaktionsprogramm der UNESCO zu BNE war die offizielle Folgemaßnahme der UN-Dekade für BNE mit dem Klimawandel als wichtigem thematischen Schwerpunkt, die von 2015 bis 2019 lief. Es zielte darauf ab, langfristig eine systemische Veränderung des Bildungssystems zu bewirken und Bildung für nachhaltige Entwicklung vom Projekt in die Struktur zu bringen. Das Weltaktionsprogramm legte fünf strategische Kernpunkte fest, um BNE voranzubringen:

Politische Unterstützung

Gesamtinstitutioneller Ansatz

Lehrende

Jugend

Kommunen

Ende November 2020 stellte die UNESCO das neue globale Nachfolge Rahmenprogramm für die Umsetzung von BNE im Zeitraum von 2020 bis 2030 „Bildung für nachhaltige Entwicklung: die globalen Nachhaltigkeitsziele verwirklichen (BNE 2030)“. Das ambitionierte Ziel ist, mit der weltweiten Verankerung von BNE in allen Lernbereichen, die Agenda 2030 mit ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals – SDGs) zu erreichen und so eine gerechtere und nachhaltigere Welt zu schaffen. Mit dem neuen Programm „Education for Sustainable Development: Towards achieving the SDGs“ – kurz „ESD for 2030“ – hebt sie die Bedeutung von BNE für die globale Nachhaltigkeitsagenda klar hervor. Auch die nationalen BNE-Gremien werden mit ihrer Arbeit fortfahren.

Die Roadmap BNE 2030 setzt darüber hinaus drei thematische Schwerpunkte:

Transformative Handlungen,

Strukturelle Veränderungen

Technologische Fortschritte

Nachhaltigkeitsziel 4: Qualitative Bildung

Bildung für nachhaltige Entwicklung in Deutschland

Die UN-Dekaden für Bildung für nachhaltige Entwicklung inspirierten viele Staaten, Konzepte und politische Maßnahmen zu ergreifen, um BNE vom Projekt zur Struktur zu bringen. 

Im Januar 2017 verabschiedete die Bundesregierung die überarbeitete Nachhaltigkeitsstrategie, die sich an der Agenda 2030 orientiert und forderte Länder und Kommunen auf, eigene Strategien und Schwerpunkte zu setzen, die an den jeweiligen regionalen Gegebenheiten angepasst sind.  

Der Nationale Aktionsplan für Bildung für nachhaltige Entwicklung , der unter Beteiligung von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und jungen Menschen entwickelt wurde, wurde am 2. Juni 2017 von der Nationalen Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung beschlossen. Der Aktionsplan enthält 130 Ziele und 349 konkrete Handlungsempfehlungen für die einzelnen Bildungsbereichen mit dem Ziel, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung strukturell in der deutschen Bildungslandschaft verankert wird. Die Handlungsfelder, Ziele und Maßnahmen sind nach den zentralen Bildungsbereichen gegliedert.

Bildung für nachhaltige Entwicklung in Hamburg

Zu Hamburgs Beitrag zur Umsetzung der der globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und der UN-Dekade “Bildung für nachhaltige Entwicklung” (BNE) 2005-2014 gehörte u.a. die vom Senat ins Leben gerufene Initiative „Hamburg lernt Nachhaltigkeit“ . Die Initiative fördert die behördenübergreifende Zusammenarbeit einschließlich Zivilgesellschaft und anderen wichtigen Akteuer:innen, um nachhaltige Bildung in Hamburg voranzutreiben. Das im Anschluss an der UN-Dekade BNE von der UNESCO ausgerufene Weltaktionsprogramm (WAP) von 2015 bis 2019 veranlasste den Hamburger Senat, die „Hamburg lernt Nachhaltigkeit“ Initiative fortzuführen, die seitdem unter der Federführung der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) koordiniert wirdMit der Drucksache 21/5468 „Hamburgs Beitrag zum Weltaktionsprogramm BNE“ erhielt die Initiative „Hamburg Lernt Nachhaltigkeit“ u.a. den Auftrag, BNE in Hamburg stärker zu verankern sowie einen Aktionsplan BNE für Hamburg zu entwickeln. Auch der Koalitionsvertrag der 22. Legislaturperiode sieht vor, dass der Masterplan BNE 2030 „mit hoher Priorität“ umzusetzen sei. Daraus entstand der Hamburger Masterplan Bildung für nachhaltige Entwicklung 2030 mit dem Ziel, nachhaltige Bildung in Hamburgs Bildungslandschaft strukturell zu verankern. 

Hamburger Masterplan Bildung für nachhaltige Entwicklung 2030 

Im Juni 2021 hat der Hamburger Senat den Masterplan BNE 2030 beschlossen und für die Jahre 2021 und 2022 über 1,1 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Der Masterplan hat eine Laufzeit von zehn Jahren und beinhaltet einen Katalog an Maßnahmen für die unterschiedlichsten Bildungsbereiche vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung einschließlich Kommunen/Verwaltung. Die Zivilgesellschaft soll die Umsetzung auch weiterhin begleiten.  

 

Der World Future Council ist seit Jahren in der Initiative „Hamburg Lernt Nachhaltigkeit“ und war an de Erarbeitung des Masterplans Bildung für nachhaltige Entwicklung für den Bereich schulische Bildung aktiv. Gemeinsam mit der Hamburger Zivilgesellschaft werden wir die Umsetzung des Masterplans begleiten.